Der Braunbär (Ursus arctos)
in der Slowakei
Gerriet Kohls M.A.
 
 

Die Slowakei - das Bärenland!



Mit einer Staatsfläche von 49035 Quadratkilometern und einer Bevölkerungszahl, die bei 5,3 Millionen Einwohnern liegt, bietet die Slowakei eine einzigartige europäische Naturvielfalt.
Die Landschaften reichen vom Wiener Becken, über die Flußtäler der Donau, Waag und Neutra, die Mittelgebirge mit den verschiedensten geologischen Formationen, bis zu dem Hochgebirge der Hohen Tatra. Nahezu das komplette Inventar der ursprünglichen mitteleuropäischen Flora und Fauna ist in diesem kleinen Land zu finden. Besonders zu nennen sind auch die großen Predatoren Bär, Luchs und Wolf.

In einigen großen Städten wie Preßburg, Kaschau, Sillein, Neusohl und anderen lebt ein bedeutender Anteil der Bevölkerung. Dagegen gibt es Gebiete, die sehr schwach besiedelt sind. Dieser Umstand kommt dem Wild in einer teilweise sehr unberührten Natur zu Gute.

In der Slowakei ist die Bärenpopulation bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts hinein dramatisch zurückgegangen. Nur durch strenge Schutzmaßnahmen konnte erneut ein stabiler Bestand anwachsen.
Die Angaben zum Bärenbestand variieren. Jedoch darf angenommen werden, daß es zur Zeit circa 800 Bären in der Slowakei gibt. Das Durchschnittsgewicht liegt bei 150 Kilogramm, manche männliche Tiere erreichen aber auch ein Gewicht von bis zu 350 Kilogramm.
Seit einigen Jahren findet auch wieder eine planvolle und zurückhaltende Bejagung des Bären statt, um den Bestand und die von Bären verursachten Schäden in Grenzen zu halten.

Die staatlich kontrollierte Bestandsregulierungsjagd schreibt vor, daß jeder erlegte Bär behördlich genau untersucht und vermessen werden muß.
Die meisten Bären wurden bisher nach der Winterruhe im Frühjahr eines jeden Jahres erlegt. Der Grund dafür ist, daß sich die Tiere zu dieser Jahreszeit besser locken lassen. Oft werden als Lockmittel Pferdekadaver verwendet. Das Nahrungsangebot der Natur ist nach dem Winter noch nicht so groß und ein Pferdekadaver scheint für Bären eine unwiderstehliche Witterung auszuströmen.
Moderne Jagdtechniken erlauben eine waidmännische und inzwischen auch erforderliche Bejagung des Bärwildes in der Slowakei. Seit dem Jahr 2000 ist die Jagdzeit für Braunbären jedoch auf die Zeit vom 01.06. bis zum 30.11. festgelegt worden. Die Frühjahrsjagd entfällt damit.

Die nachfolgende Tabelle gibt ein paar statistische Daten zur Situation des Bären in der Slowakei über einen Zeitraum von sieben Jahren wider.
 
 
Jahr
Verluste durch Jagd
Verluste durch Unfall
davon Tiere mit einem Gewicht über 100 kg
Höhe der durch Bären verursachte Schäden*
1994
50
7
21
keine Angaben (k.A.)
1995
52
8
12
800.000 Sk
1996
32
3
12
534.000 Sk
1997
46
21
18
1.100.000 Sk
1998
47
14
21
912.000 Sk
1999
28
k.A.
9
k. A.
2000
28
k.A.
13
531.904 Sk
gesamt:
283
---
106
---
* Angaben in slowakischen Kronen (Sk) - Wechselkurs: 1.-- DM entspricht etwa 22.-- Sk

Die Auswertung der Statistiken der Jahre 1994 bis 1998 ergibt folgendes Bild. Der Anteil der getöteten männlichen Bären macht 63 Prozent aus, entsprechend wurden 37 Prozent weibliche Tiere getötet. Bezogen auf 238 taxierte Tiere hatten 65 Prozent ein Körpergewicht von unter 100 Kilogramm. Etwa 80 Prozent des Bärwildes kommt im Frühjahr, also in den Monaten März und April, zur Strecke. 1996 wurde im Jagdrevier Baníkov Smrecany ein männlicher Bär mit einem Gewicht von 271 Kilogramm und 1997 wurde im Revier Zipser Neudorf ein männliches Tier mit einem Gewicht von 220 Kilogramm erlegt. Diese Exemplare waren die schwersten ihrer Art, die der Regulierungsjagd unterlagen.

Das Bärwild besitzt einen typischen Raubtiermagen. Der Anteil an vegetarischer Nahrung kann jedoch 80 Prozent erreichen, obwohl der Magen-Darm-Trakt dafür nicht spezialisiert ist. Da der Bärenmagen Zellulose und Lignin nicht verarbeiten kann, wählen die Bären gut verdauliche Nahrung, sowohl pflanzliche als auch tierische.

In der Vegetationszeit gehören dazu die Beeren, Pilze, Grassamen, junge Blätter und verschiedene Wurzeln und Knollen. Ergänzt wird die Nahrung durch Insekten, Kleinsäuger, Amphibien und Fische und gelegentlich auch durch große Säugetiere. Dazu gehören neben den Wildtieren wie Rehe und Hirsche auch Weidetiere wie Schafe, Ziegen und Rinder.
In den vergangenen Jahren wurde immer öfter beobachtet, daß die Bären in den Gemeinden ihre Nahrung bei den Menschen suchen. Abfallbehälter, Tierställe und Bienenstöcke werden von Bären geöffnet. Entstandene Schäden werden jedoch vom Staat ersetzt. Der Schutz des Bären steht dabei im Vordergrund.

In der Slowakei dauert der Winterschlaf, der abhängig von den Witterungsverhältnissen und dem Ernährungszustand des Bären ist, vom ersten Schnee bis Ende Februar, Anfang März. Der Winterschlaf des Braunbären wird durch Futtermangel und Kälte induziert. In Zoos tritt er daher nicht auf.
Die jungen Bären kommen im Januar im Winterlager zur Welt. Sie wiegen dann etwa 500 Gramm und sind circa fünf Wochen lang blind. Bereits nach drei Monaten können sie der Mutter folgen, die sie noch bis Ende Juni säugt. Die Jungen sind sehr lebhaft und lernen schnell. Sie können sich geschickt bewegen, auf Bäume klettern und auch schwimmen.

Die Geschlechtsreife erreichen die Bären zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr. Da die Jungen mindestens zwei Jahre lang bei der Mutter bleiben, die sich alleine um die Aufzucht kümmert, stellt sich im günstigsten Fall nur alle drei Jahre Nachwuchs ein. Bärinnen bringen so in ihrem Leben nicht mehr als zehn bis zwölf Junge zur Welt. Die Mortalitätsrate der Jungbären ist jedoch relativ gering.

Der Braunbär steht an der Spitze der Nahrungspyramide und ist auf ein großes Revier angewiesen. Die Reviergrößen schwanken je nach der Naturausstattung oder anders gesagt, je nach der ökologischen Tragfähigkeit des Habitates. Es kommt darauf an, daß die Nahrungsbeschaffung gewährleistet ist und daß Schutz- und Ruheräume vorhanden sind. Innerhalb der Reviere werden nicht alle Bereiche vom Bären begangen, wie etwa die Täler. Die Reviergröße unterliegt auch saisonalen Schwankungen. Männliche Bären haben einen größeren Aktionsraum als die Bärinnen. Vermutlich soll damit die Fortpflanzung sichergestellt werden. Es wurde auch beobachtet, daß sich die Bärenreviere überlappen. Unter normalen Bedingungen legt der Bär in seinem Revier täglich nur 1,5 bis 2,5 Kilometer zurück.
Die Tragfähigkeit bestimmter Ökosysteme ist zwar unterschiedlich, trotzdem gibt es Erfahrungswerte. Hörning gibt die Reviergröße des mitteleuropäischen Braunbären mit zehn bis dreißig Quadratkilometer je Bär an. Chovancová nennt eine Reviergröße zwischen dreißig und siebzig Quadratkilometer pro Bär.

In der aktiven Jahreszeit benutzen Bären sogenannte Tageslager, um zu ruhen. Die Nacht wird dann zur Nahrungssuche verwandt. Nur in ungestörten Gebieten sind Braunbären vorwiegend im Frühjahr und Herbst am Tage aktiver. Die Tageslager werden mindestens 500 Meter teils 1500 Meter weit von Gehöften oder Straßen eingerichtet. Dieselben Tageslager werden nur selten mehrere Tage hintereinander aufgesucht. Sie bestehen aus natürlichen Bodenvertiefungen oder werden vom Bären durch Scharren in der Bodenstreu hergestellt.

Bären sind in ihren Angewohnheiten beständige Tiere. Der Tagesrhythmus wird relativ unabhängig von den Witterungsverhältnissen eingehalten. Benutzte Wechsel führen weitgehend durch Deckung. Muß der Bär offene Flächen überqueren, so sichert er bis zu zwanzig Minuten lang. Hauptwechsel sind oft vegetationslos und führen entlang von Höhenlinien. Diese Wechsel werden häufig von verschiedenen Bären benutzt. Besonders ältere Bären legen große Strecken zwischen Schlaf- und Futterstellen zurück.
Welche Gebiete in der Slowakei werden nun tatsächlich vom Bären bewohnt?
Genaue Hinweise darauf geben die Jagdstatistiken und die Meldungen über tot aufgefundene oder im Straßen- und Eisenbahnverkehr umgekommene Bären. Weiter macht sich der Bär durch die von ihm angerichteten Schäden immer wieder bemerkbar. Auch aus den bereits beschriebenen Lebensraumansprüchen ergibt sich, daß der Bär kaum besiedelte ruhige Höhenlagen bevorzugt. In der Slowakei sind diese Gebiete zu einem großen Teil als Nationalparks oder mindestens als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen.

Das Siedlungsgebiet des Bären ist so im wesentlichen die Mittel- und Nordslowakei. Also das slowakische Erzgebirge, die Große und Kleine Fatra sowie die Hohe und Niedere Tatra. Markiert wird das Bärengebiet durch alle sieben slowakischen Nationalparks und durch die Landschaftsschutzgebiete Kysuce, Horná Orava, Große Fatra, Strazovske vrchy, Ponitrie, Stiavnicke vrchy, Polana und Ostkarpaten.

So erfreulich es ist, daß es wieder viele Bären in der Slowakei gibt und der Bestand als sehr stabil bezeichnet werden kann, so gering ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß der Naturfreund und Wanderer jemals einen Bären zu Gesicht bekommt oder gar durch Bären gefährdet ist. Das vorwiegend nachtaktive und scheue Wild meidet die Begegnung mit dem Menschen, auch wenn eingangs gesagt wurde, daß Bären zeitweise in den Ortschaften Abfallbehälter und Tierställe aufsuchen. Der Naturgenuß wird aus diesem Grunde auch in der Zukunft nicht durch Bären getrübt. Glücklich sollte sich hingegen derjenige schätzen, der trotz der großen Unwahrscheinlichkeit tatsächlich mal einen Bären in der schönen slowakischen Natur beobachten kann.
 

Eine kartographische Darstellung der Bärenstrecke in der Slowakischen Republik für das Jahr 2000 erhalten Sie hier:

2000  (Fatra, jpg-Datei mit 79 KB)
 
Literatur:
Kohls, Gerriet: 
Untersuchungen über die Braunbären (Ursus arctos) in der Slowakei unter besonderer Berücksichtigung ihrer Situation im Tatra-Nationalpark (Magisterarbeit an der Universität Oldenburg 1998 - BIS: zoo 976.3 PT 1806)
Bestand:
Bibliothek des Karpatendeutschen Kulturwerkes, Karlsruhe
Bibliothek der Universität Oldenburg
Sorger, Hans-Peter:
Der Bär ist wieder da!: Konflikte und Chancen. Graz; Stuttgart: Stocker, 1995

Hinweis:

Der Braunbär gehört zu den jagdrelevanten Arten, die  nach Anhang A der VO (EG) Nr. 338/97 und Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommens (WA) geschützt sind.

Zur Einfuhr von Jagdtrophäen zum persönlichen Gebrauch  von Arten, die in Anhang A der Verordnung (EG) Nr.  338/97 und
in Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens stehen, sind ein WA-Ausfuhrdokument des Ursprungs- oder
Versendungslandes  und eine WA-Einfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) erforderlich.

Bei einer Einfuhr von Jagdtrophäen u.a. des Braunbären (Ursus arctos) ohne die erforderlichen Dokumente,  liegt eine
Straftat nach § 30 Abs. 2a Nr.1  i.V.m. § 30a Bundesnaturschutzgesetz  (BNatSchG) vor.

Dieser Bestimmungen unterliegen die Braunbärpopulationen aus Bulgarien, Estland, Rumänien, Russland, der Slowakei, den USA und Kanada).
 
 

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